Geschichtliches

Lutherisch im Odenwald – geschichtlich betrachtet:

Seit dem Westfälischen Frieden, der dem Dreißigjährigen Krieg ein Ende setzte, gilt als Staats-Recht die Formel: „cuius regio eius religio“ (= wessen Land, dessen Glaube) Diese Formel bedeutet: Der Glaube, dem die Untertanen folgen müssen, wird vom jeweiligen Landesherrn festgelegt.

Viel später kommt die Zeit, in der sich durch die napoleonischen Wirren die politische Landkarte verändert. Neu gezogene Landesgrenzen (als ein Ergebnis des Wiener Kongresses) führen dazu, dass es auf dem Territorium eines Landes verschiedene Glaubensrichtungen gibt. Dessen ungeachtet behalten die Landesherren weiterhin das Recht, die Kirche nach ihren Vorstellungen zu gestalten.

Auch auf dem Territorium des Großherzogtums Hessen-Darmstadt waren zwischenzeitlich  verschiedene Glaubensrichtungen vertreten. Dem gewünschten Einheitsgedanken folgend, bekam die Kirche bis 1874 eine neue „Presbyterial- und Synodalverfassung“. Ein Aufschrei  brach los, als in der Kirche nun neben das lutherische Bekenntnis gleichwertig das reformierte Bekenntnis treten sollte. Es waren kleine Gruppen, die dem Fürsten das Recht aufkündigten, über den Glauben zu bestimmen. Sie taten es aus Glaubens- und Bekenntnisgründen, wussten sie sich doch in ihrem Gewissen gebunden: Eine Kirche, in der einander sich widersprechende Bekenntnisse gelten, ist nicht mehr unsere Kirche!

Die erste „Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche“, die sich daraufhin in Hessen-Darmstadt aufgrund dieser Widerstände bildete, kündigte den Grundsatz „cuius regio eius religio“ ganz offiziell gegenüber dem Staat auf. Damit ist diese Kirche zur Vorkämpferin der Glaubensfreiheit geworden. Mit dem Selbständigwerden der lutherischen Kirche zerbrach die Einheitsidee von Kirche und Staat.

Diese Widerstände ereigneten sich allerdings nicht nur in Hessen-Darmstadt, sondern auch anderswo, teilweise schon Jahrzehnte früher (z.B. in Preußen).

Der Begriff der Glaubensfreiheit ist in heutiger Zeit in aller Munde, und hierzulande erleben wir sie als etwas Selbstverständliches. Weltweit gesehen aber ist solche Freiheit keineswegs selbstverständlich.

In den drei Gemeinden, die heute als „Teilgemeinden“ eines Pfarrbezirks zusammengehören, :

Die St. Martinsgemeinde Rothenberg (heute ein Stadtteil von Oberzent) entstand, als sich auch der damalige Pfarrer Emil Kraus gegen das Einheitsstreben des Landesfürsten stellte. Im Verlauf des Streites zwischen „Kirche“ und „Staat“ wurde ihm der Zutritt zu seiner Kirche verwehrt. Wenig später musste er auch das Pfarrhaus räumen.

Die Gemeinde hielt daraufhin ihre Gottesdienste über ein Jahr hinweg in Wohnhäusern von Gemeindegliedern. Nachdem sie sich im Jahr 1875 ein Statut gegeben hatte, erbaute sie im Jahr darauf ein Pfarrhaus, in dem auch ein Kirchsaal eingerichtet wurde. Wenige Jahre später (1880/81) folgte der Bau der St.-Martins-Kirche. Seit 1989 sind Kirche und Pfarrhaus durch die Schaffung eines Zwischenbaus zu einem Gebäudekomplex vereinigt.

Die Schloß-Gemeinde Fürstenau entstand in dieser Zeit, da Pfarrer Christian Müller (bis 1867 Pfarrer in Beerfelden) als Erzieher und Hausgeistlicher im Grafenhaus Erbach-Fürstenau wirkte. Er gehörte zu den 15 Pfarrern, die die neue Verfassung nicht angenommen hatten.

Wurde die im Schloss Fürstenau befindliche Kapelle bis dahin nur für Taufen der gräflichen Familie und für Wochengottesdienste genutzt, so wurde dort seit 1875 auch regelmäßig am Sonntag Gottesdienst gehalten.

Die Schloß-Gemeinde Erbach entstand ebenfalls bereits im Zuge der Unionsbildung des 19. Jahrhunderts und bildete anfänglich gemeinsam mit der lutherischen Gemeinde in Reichelsheim den Pfarrbezirk Reichelsheim-Erbach. Dieser wurde 1972 aufgelöst. Während die Gemeinde Reichelsheim fortan von Darmstadt aus betreut wurde, ist die Gemeinde Erbach seitdem Teil des Pfarrbezirks Rothenberg- Fürstenau- Erbach geworden.

 (Stand: September 2021)

Weitere Informationen zur SELK finden Sie auf der Homepage www.selk.de.